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Förderung als Programm

Die Herbert-Weisenburger-Stiftung und die Städtische Galerie Rastatt

Die Herbert-Weisenburger-Stiftung wurde im Januar 1990 vom Regierungspräsidium Karlsruhe genehmigt. Gegründet vom Rastatter Bauunternehmer Herbert Weisenburger, unterstützt sie die Aktivitäten der Städtischen Galerie mit eigenen Projekten. Hintergrund war die bevorstehende Eröffnung der Fruchthalle. Verbunden war dies mit dem Wunsch von Herbert Weisenburger, die Künstler selbst zu fördern: Sie sind die Produzenten der Kunst, ohne sie geht gar nichts, aber sie sind das schwächste Glied im Kunstbetrieb. In Abstimmung mit der Konzeption der Städtischen Galerie zur „Kunst in Baden nach 1945“ initiiert und kuratiert die Herbert-Weisenburger-Stiftung deshalb vor allem monographische Ausstellungen mit Katalogen. Die Künstler, denen sie sich bevorzugt zuwendet, sind bislang kaum etabliert oder mittlerweile aus dem Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Vor allem dazu bedarf es der ausgiebigen Recherche in der Kunstszene, immer ist die gemeinsame Erarbeitung Teil der Förderung, die eben auf Nachhaltigkeit abzielt.

Zur Eröffnung der Galerie und damit als erste Maßnahme der Herbert-Weisenburger-Stiftung war indes ein Paukenschlag nötig: der Erwerb des Gemäldes „Insel Reichenau“ (1951) von Otto Dix. Es zeigt nicht mehr den berühmten Kritiker der Großstadt, sondern steht mit seiner Landschaftsschilderung für Dix' innere Emigration während der NS-Diktatur. Es beschreibt den Rückzug in die Natur der Bodenseeregion als Trennung vom großstädtischen Leben. Und es spricht mit seinem abstrahierenden Pinselstrich die Unsicherheit an, wie die Kunst in diesen Jahren den Anschluss an das internationale Kunstgeschehen finden sollte. Im Grund nimmt Dix mit diesen Fragen ja die Rolle des zweifelnden Einzelgängers ein, der nach wie vor verbreitet ist.

Die Herbert-Weisenburger-Stiftung hat im Laufe von bald 30 Jahren eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen angewandt. Sie hat die Kataloge zu den Ausstellungen von Karl Manfred Rennertz (1993) und Walter Schiementz (1998) in der Städtischen Galerie finanziert und erarbeitet. Sie hat einzelne Werke der ausstellenden Künstler erworben und der Städtischen Galerie zur Verfügung gestellt. Und sie hat mit ihren Ausstellungsprojekten die Exponate der städtischen Sammlung vertieft, etwa im Fall von Werner Pokorny (im Dialog mit Hartmut Gampp, 1997) und Elke Wree (2009). Neu entdeckt wurden neben anderen Harry Kögler (1999), Horst Schuler (2002), Michael von Biel (2003) und Isolde Wawrin (2012).

Unvergessen ist die Ausstellung mit Harry Kögler (1921-1999) in der Städtischen Galerie. Harry Kögler war 1966 als Professor für Malerei von Berlin an die Kunstakademie in Karlsruhe berufen worden, zeitweilig war er deren Rektor. Damit verlagerte sich sein Interesse von der Ausstellungstätigkeit zur Lehre. Gewiss, einzelne seiner Malereien und Collagen zwischen Kubismus und dinglichem Konstruktivismus waren auf Gruppenausstellungen zu sehen, Einzelausstellungen aber lehnte Kögler zumindest in Baden-Württemberg ab. Nur der Herbert-Weisenburger-Stiftung gelang es, ihn zu überzeugen – daraus wurde in der Fruchthalle sogar ein Werküberblick, den ein umfassender, von Kögler autorisierter Katalog begleitete. Die Vernissage zählt gewiss zu den Höhepunkten in der Geschichte der Städtischen Galerie. Natürlich hatte sich herumgesprochen, dass Harry Kögler schwer erkrankt war. Die Fruchthalle platzte aus allen Nähten, Harry Kögler war mittendrin und für alle seine Schüler und Freunde ansprechbar, mit denen er bis in die frühen Morgenstunden zusammensaß.

Zu den besonders eindrucksvollen Eröffnungen gehörte auch die zur Ausstellung mit Michael von Biel, zu der Gäste aus ganz Deutschland angereist waren. Michael von Biel (geb. 1937), der in der Bodenseeregion aufgewachsen war und in Köln lebte, ist als Konzeptkünstler und Avantgardemusiker eine Legende, gerade weil er sich so rar macht und jede Öffentlichkeit scheut. Nach Rastatt aber war er angereist, stand in der Städtischen Galerie beim Pressegespräch zur Verfügung und nahm an der Vernissage und der Aufführung seiner Streichquartette in der Lehrerbibliothek teil. Eröffnungsredner war Reiner Speck – einer der bedeutenden Kunstsammler hierzulande – und zu den Gästen gehörten weitere Doyen der rheinischen Kunstszene wie der Kunstmäzen Axel Bell und der Galerist Erhard Klein. Die Ausstellung verdiente die große Resonanz, denn sie vereinte Zeichnungen, Künstlerbücher und Gemälde aller Werkphasen aus etlichen Privatsammlungen, die noch nie zusammen gezeigt wurden.

Vor allem aber wendet sich die Stiftung jüngeren Künstlerinnen und Künstlern zu, die am Anfang ihrer Karriere stehen wie damals Gabriele Langendorf (die später Professorin an der HbK Saarbrücken wurde) oder Sonia Knopp (die mit dem Katalog im Rücken den Kunstpreis des Rhein-Sieg-Kreises erhielt) oder Driss Ouadahi (der sich in der Folge international etablieren konnte) oder im letzten Jahr Susanne Neiss (von der die Städtische Galerie mehrere Fotoarbeiten erwarb). Daneben werden auch weiterhin Projekte mit älteren Künstlern verwirklicht. So waren in der Städtischen Galerie mit Carlos Granger (2012) sowie mit Manfred Garstka (2015) zwei frühe Protagonisten einzelner Stilrichtungen vertreten.

Der in Amsterdam lebende Brite Carlos Granger (geb. 1933) gehörte im London der 1960er und 1970er Jahre zur Avantgarde der damals international für Furore sorgenden Bildhauer, wandte sich aber bald der Fotografie zu. Sieht man die frühen, im Rastatter Katalog abgebildeten seriellen Holz- und Metallskulpturen im Kontext ihrer Zeit, so ist es um so erstaunlicher, dass er ein Geheimtipp geblieben ist. Die Ausstellung in der Städtischen Galerie konzentrierte sich auf die neueren blockhaften Werke aus Beton, Eisenteilen und Holzstücken und seine jüngsten additiven monochromem Skulpturen aus Holz- und MDF-Platten, die das freie Spiel von Formbeziehungen bis heute fortsetzen.

Manfred Garstka (geb. 1937) zählt zu den Vertretern einer „Neuen Figuration“ im Umfeld der Hamburger Kunstakademie (Georg Cresko, Horst Janssen, Wunderlich, Bruni). Nach ersten Erfolgen ist er 1971 ins Neckartal gezogen. Sein Sujet ist bis heute vorzugsweise der weibliche Körper, zum Torso hin deformiert und in wechselndem Grad abstrahiert. Die Rastatter Ausstellung stellte sein Schaffen seit 1960 vor. Eigene Stationen in seinem Oeuvre sind die von der Pop Art geprägten Bilder, die Figurationen in rot glühenden Interieurs zeigen, sowie die aktuellen mehrteiligen Gemälde. Es ist großartig, dass daraus ein Werk in der Rastatter Museumssammlung geblieben ist. Flankiert aber wurde Garstkas Ausstellung von den figurativen Werken aus diesem Bestand: Es ist der Idealfall, dass die Aktivitäten der Herbert-Weisenburger-Stiftung eine neue Sicht auf die Sammlung und damit das Selbstverständnis der Städtischen Galerie initiieren.

Herbert Weisenburger hat als Vorsitzender des Vorstandes die Stiftung bis 1994 geführt. Von 1994 bis zu seinem frühen Tod 2013 stand ihr sein Sohn Rainer Weisenburger vor und hat in dieser Zeit die Profilierung der Stiftung vorangetrieben. Seither leitet wiederum dessen Sohn Nicolai Weisenburger das Bauunternehmen und damit die Stiftung – das Konzept des Familienunternehmens bewährt sich auch für die Förderung der Kunst.

Thomas Hirsch

Erstabdruck in: Stadt Rastatt (Hrsg.), Ein/Aus-Blick. Die Städtische Galerie und die Sammlung Rastatt, Karlsruhe: Lindemanns, 2021